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Kapitalleistung muss wenigstens „barwertgleich“ sein
Das Bundesarbeitsgericht hält Kapitalwahlrecht des Arbeitgebers in Höhe der 10-fachen Jahresrente für unwirksam (BAG 17.1.2023 - 3 AZR 220/22)

Das Bundesarbeitsgericht hatte mit Urteil vom 17.01.2023 über eine häufiger anzutreffende Konstellation in der betrieblichen Altersversorgung zu urteilen. Es ging darum, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber schuldbefreiend statt einer lebenslangen Rente eine einmalige Kapitalzahlung erbringen darf. Die Begründung des Urteils wurde inzwischen schriftlich veröffentlicht.

Der Fall

Eine Arbeitnehmerin hatte im Jahr 2000 eine Unterstützungskassenzusage (pauschal dotiert) erhalten. Die Unterstützungskasse teilte der Arbeitnehmerin im Rahmen des Leistungsplans den Vorbehalt mit, „anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der 10-fachen Jahresrente zu zahlen.“ Die Umrechnung beruht auf den steuerlichen Vorschriften für die pauschal dotierte Unterstützungskasse.

2017 wurde die Leistung fällig. Vor Steuern betrug die lebenslange monatliche Rente
1.030,41 €, die Kapitalleistung 123.649,20 €. Dieser Kapitalbetrag war niedriger als der versicherungsmathematische Barwert der monatlichen Altersrente.

Der Arbeitgeber zahlte die Kapitalleistung aus. Nach Abzug von Steuern erhielt die Arbeitnehmerin einmalig 106.476 EUR vom Konto des Arbeitgebers. Diese überwies sie „postwendend“ zurück mit dem formalen Argument, dass allein die Unterstützungskasse das Kapitalwahlrecht geltend machen könne. Der Arbeitgeber verklagte sie anschließend auf Annahme der Kapitalleistung.

Das Urteil

Das Berufungsgericht (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 06.04.2022, 12 Sa 1068/21) hatte der Arbeitnehmerin recht gegeben. Es handele sich bei der Zahlung einer monatlichen Betriebsrente im Gegensatz zu einer einmaligen Kapitalleistung nicht um „bloße Modalitäten bei der Erfüllung des Betriebsrentenversprechens“. Zwar seien beiden Leistungsarten gleichberechtigte Leistungsformen, es gebe aber deutliche Unterschiede. Neben steuerlichen Nachteilen im Rahmen einer Kapitalleistung werde das Langlebigkeitsrisiko auf die Arbeitnehmerin verlagert. Insbesondere fehle ein Inflationsschutz mangels durchzuführender Rentenanpassungsprüfungen.

Im Rahmen des Revisionsverfahrens bestätigte das Bundesarbeitsgericht im Ergebnis die Vorinstanz. In den nun vorliegenden, schriftlichen Urteilsgründen wurde ganz besonders auf die fehlende Wertgleichheit der Kapitalleistung abgestellt, die den Rentenbarwert unterschreitet.

Nach dem Urteil steht dem Arbeitgeber aufgrund der Bestimmung im Leistungsplan der Unterstützungskasse eine Ersetzungsbefugnis der lebenslangen Rente durch eine einmalige Kapitalzahlung zu. Diese muss sich als Teil des vom Arbeitgeber gestellten Leistungsplans am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen messen lassen.

Da die vorgesehene Kapitalzahlung der Höhe nach nicht wertgleich zur lebenslangen Rente ist, fehlt es gemäß Urteil des Bundesarbeitsgerichts an der Zumutbarkeit der Kapitalleistung für die Arbeitnehmerin im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB. Denn durch eine solche Minderleistung wird der Arbeitnehmerin eine bereits erdiente Anwartschaft teilweise wieder entzogen, so das Bundesarbeitsgericht.

Leitsatz

Ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versorgungsschuldners geregeltes Recht, nach seiner Entscheidung anstelle der Zahlung laufender Renten eine einmalige Kapitalzahlung zu leisten, ist mit § 308 Nr. 4 BGB unvereinbar und unwirksam, wenn die Kapitalleistung nicht mindestens dem versicherungsmathematisch ermittelten Barwert der laufenden Renten entspricht.

Bewertung

Zwar ist es für eine fundierte Bewertung noch recht früh. Jedoch legt die BAG-Entscheidung nahe, dass ein leichtfertiger Umgang mit einem einseitigen Kapitalwahlrecht zugunsten des Arbeitgebers im Falle einer pauschaldotierten Unterstützungskasse riskant sein dürfte.

Nicht betroffen sein dürften rückgedeckte Unterstützungskassen. Denn dort errechnet sich die Kapitalleistung auf der Grundlage von versicherungstariflichen Maßstäben, die eine Wertgleichheit im Sinne des Barwertes regelmäßig übererfüllen.

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