Suche
Close this search box.
Suche
Close this search box.
  1. Startseite
  2. /
  3. September 2023
  4. /
  5. Insolvenzrechtliche Aspekte der Rentner-Gesellschaft

Insolvenzrechtliche Aspekte der Rentner-Gesellschaft: Krisensituation im Rahmen von Altersvorsorgeverbindlichkeiten erkennen und vermeiden

Erhöhtes Insolvenzrisiko der Rentner-Gesellschaft

Normalerweise führen die beschränkten Aktivitäten dazu, dass die Rentner-Gesellschaft jährlich Verluste vorzuweisen hat. Aufgrund des fehlenden operativen Geschäfts bestehen die Betriebseinnahmen nur aus der Teilauflösung der hohen Pensionsrückstellungen und ggf. aus Kapitalerträgen aufgrund der Vermögensanlage. Dem gegenüberstehen als Betriebsausgaben die geleisteten Pensionsverpflichtungen sowie entstehende Verwaltungskosten, welche die Einnahmen regelmäßig übersteigen dürften. Die Folge der dauernden Verluste ist die schrittweise Aufzehrung des vorhandenen Eigenkapitals. Wenn das Eigenkapital der Gesellschaft die Verluste nicht mehr auffangen kann, entsteht ein negatives Eigenkapital bzw. ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag, welcher das Insolvenzrisiko nach außen erkennbar einläutet. Die Gesellschaft erlangt meist aufgrund der Erstellung des Jahresabschlusses Kenntnis von der insolvenzrechtlich relevanten, bilanziellen Schieflage. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers (§ 102 StaRUG = Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) und der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14) hat der Steuerberater die allgemeine Verpflichtung, den Mandanten auf eine mögliche Insolvenzreife auch hinzuweisen.

Insolvenzrechtliche Überschuldung kontra rechnerische Überschuldung

Insolvenzreif ist das Unternehmen aber erst dann, wenn aufgrund der dauernden Verluste eine Überschuldung nach § 19 InsO (Insolvenzordnung) vorliegt, welche für die Geschäftsführung zwingend eine

     

      1. Antragspflicht (§ 15a Abs. 1 InsO) und

      1. Geschäftsführerhaftung (§ 15b InsO, vormals § 64 GmbHG) auslöst.

    Die Überschuldungsprüfung ist nach § 268 Abs. 3 HGB durch die Geschäftsführung vorzunehmen, wenn sich aus der Handelsbilanz zu einem Stichtag ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt. Ein solcher Fehlbetrag indiziert, auch nach § 19 Abs. 2 InsO, die rechtliche Überschuldung.

    Die Überschuldungsprüfung nach § 19 InsO ist zweistufig gestaltet. Voraussetzung ist, dass eine negative Fortführungsprognose als auch die rechnerische Überschuldung vorliegen müssen. Nur wenn rechnerische Überschuldung und negative Fortführungsprognose kumulativ vorliegen, ist Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO gegeben. Eine negative Fortbestehensprognose ist dann anzunehmen, wenn sich für den Prognosezeitraum von in der Regel 12 Monaten (pandemiebedingt galten kürzere Fristen!) eine finanzielle Unterdeckung ergibt. Praktisch gesehen ist eine Insolvenzreife für Rentnergesellschaften dann gegeben, wenn im Prognosezeitraum die Liquidität nicht ausreicht die Pensionsverpflichtungen für das Folgejahr zu erfüllen. Insofern kann es daher aufgrund entsprechender Liquidität mehrere Jahre möglich sein, zwar rechnerisch überschuldet zu sein, ohne jedoch eine negative Fortführungsprognose zu erfüllen und insolvenzantragsverpflichtet zu sein. Erst in dem Jahr, wo die Liquidität nicht ausreicht, die kumulierten Jahrespensionsverpflichtungen zu erfüllen, ist die Insolvenzreife gegeben. Im Fall der Rentner-Gesellschaft ist der eintretende Schaden, für den der Geschäftsführer im Falle einer Insolvenzverschleppung haftet (s.o. § 15b InsO), als praktisch gering einzustufen. Ein Haftungsrisiko ist zwar dem Grunde nach gegeben, allerdings aufgrund des eingestellten Geschäftsbetriebes der Höhe nach begrenzt.

    Rangrücktritt als Wunderwaffe gegen die Überschuldung?

    In der Praxis hat es sich insbesondere in der Steuerberatung bei Vorliegen eines negativen Eigenkapitals bei Pensionsverpflichtungen von Unternehmern (beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführern) bewährt, einen qualifizierten Rangrücktritt zu erklären. Die Rangrücktrittserklärung hätte zur Folge, dass die Ansprüche aus der Pensionszusage gemäß § 39 Abs. 2 InsO nachrangig gegenüber allen gegenwärtigen oder zukünftigen Gläubigern behandelt werden müssen. Dies geschieht meist bei Vorhandensein einer rechnerischen Überschuldung ohne den 2. Prüfungsschritt der rechtlichen Überschuldung zu prüfen. Zwar ist die qualifizierte Rangrücktrittserklärung geeignet, eine Überschuldung abzuwenden, allerdings werden im Gegenzug dadurch eventuell vorhandene Sicherheiten aufgegeben. Im Insolvenzfalle ist die Aufgabe der Sicherheit für den Gesellschafter-Geschäftsführer fatal, weil eine gesetzliche Insolvenzsicherung nicht gegeben ist und indirekt damit der Wegfall der privatrechtlichen Sicherheit gleichzeitig zur Aufgabe der Pensionsforderungen führt. Parallel dazu führt der Rangrücktritt in einer späteren Insolvenz dazu, dass der Insolvenzverwalter die nach dem Rangrücktritt gezahlten Pensionsverpflichtungen zurückfordern kann. Daher sollte ein Rangrücktritt nicht das erste Mittel sein, die Insolvenzantragspflicht abzuwenden, insbesondere wenn der Antragsgrund nicht erfüllt ist. Wie dargestellt, geht aufgrund der notwendigen negativen Fortführungsprognose eine rechtliche Überschuldung selten mit der rechnerischen Überschuldung einher.

    Rechtliche Überschuldung: Verzicht versus Antragsrecht nach § 18 Abs. 1 InsO

    Ein Verzicht kann ebenfalls helfen, die Verpflichtungen der Gesellschaft zu mindern und damit die insolvenzauslösenden Gründe zu beseitigen. Ein Verzicht von bereits erdienten Ansprüchen auf die Pensionsverpflichtungen ist aus steuerlicher Sicht in diesem Zusammenhang allerdings nur dann möglich und gilt als steuerlich zulässig betrieblich veranlasst, wenn die Pensionszusage nicht finanzierbar ist. Dient der Verzicht der Vermeidung einer drohenden Überschuldung der Gesellschaft im insolvenzrechtlichen Sinne, ist er entsprechend den allgemeinen Grundsätzen nur dann betrieblich veranlasst, wenn sich auch ein Fremdgeschäftsführer zu einem Verzicht bereit erklärt hätte (sog. Fremdvergleich). Bei der Bewertung der Zulässigkeit des Verzichts, ist daher immer eine individuelle Betrachtung der Umstände unter Aufstellung einer Überschuldungsbilanz notwendig. Eine rechtssichere Lösung wäre nur mit einer kostenpflichtigen Finanzamtsanfrage möglich. Die mangelnde Rechtssicherheit ist daher nur durch viel verwaltungstechnischen und finanziellen Zusatzaufwand zu erlangen.

    Beachtet man die Tatsache, dass der Geschäftsführer soweit eine Zahlungsunfähigkeit droht, zu einem Insolvenzantrag nach § 18 Abs. 1 InsO berechtigt ist (Antragsrecht statt Antragspflicht!), wäre die Voraussetzung der mangelnden Finanzierbarkeit beim Verzicht auf den Past Service einfach nachgewiesen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist dann gegeben, wenn die Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zu erfüllen. Der Prognosezeitraum für die Betrachtung der drohendenden Zahlungsunfähigkeit beträgt in der Regel 24 Monate (§ 18 Abs. 2 S. 2 InsO). Der Geschäftsführer hätte somit die Möglichkeit infolge des Antragsrechts nach § 18 InsO ein Insolvenzverfahren einzuleiten, durch das steuerlich zulässig ohne großen Aufwand auf die Pensionsverpflichtungen verzichtet werden kann und die Gesellschaft durch den Insolvenzverwalter abgewickelt wird. Der Insolvenzantrag, der ja durch die Geschäftsführung sonst immer vermieden wird, kann bei mangelnder Finanzierbarkeit für die Rentner-Gesellschaft die Möglichkeit sein, sich kostensparend und verwaltungsarm aus der Problematik herauszulösen.

    Fazit: Insolvenzrechtliche Kenntnisse und frühzeitiges Handeln erhöhen den Handlungsspielraum und die Rechtssicherheit

    Vorstehende Überlegungen zeigen, dass das erhöhte Insolvenzantragsrisiko von Rentnergesellschaften zwar besteht, aber praktisch dann kein Problem ist, wenn die Geschäftsführung das Insolvenzrisiko kennt und ggf. Maßnahmen zur Vermeidung trifft bzw. sich zum richtigen Zeitpunkt beraten lässt. Allerdings sollten sich Pensionsberechtigte in Rentner-Gesellschaften, die als Unternehmer anzusehen sind, um eine kontinuierliche privatrechtliche Sicherheit bemühen und Rangrücktrittserklärungen vermeiden, um im Insolvenzszenario nicht die Versorgungsansprüche zu gefährden. Hier gilt aufgrund des Anfechtungsrisikos möglichst frühzeitig unter Einschaltung eines fachmännischen Beraters Sicherheiten zu übertragen. Dies gilt umso mehr in der Rentenphase, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen.

    Wir beraten Sie in Ihrem konkreten Fall gern zu den vorstehenden Themen. Wollen Sie Ihre Pensionsrückstellungen privatrechtlich sichern? Auch hierzu stehen wir Ihnen fachkundig zur Verfügung.

    © IPM Industrie-Pensions-Management GmbH